Montag, 3. Oktober 2005

Management by Chaos

oder: Wie man die lange Nacht der Forschung organisiert, ohne auf Erkenntnisse der mathematischen Forschung zurückzugreifen.

Samstags fand in Wien die lange Nacht der Forschung statt. Nicht-Wiener mögen sich das folgendermaßen vorstellen: Man versammelt sich am Heldenplatz, von dem aus einige eigens dafür eingerichtete Buslinien zu diversen Firmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen fahren, die von 17 bis 24 Uhr ihre Tore öffnen und dem interessierten Publikum zeigen, was man übers Jahr im stillen Kämmerchen produziert.

Ein kleines Grüppchen machte sich also auf und besorgte sich Eintrittskarten für das besagte Event. Wer die autophile Ader des Herrn Baron kennt, der weiß, daß Busse nicht gerade seine erste Wahl sind, weil selbige im Normalfall überfüllt, langsam und stickig sind. Man beschloß daher, es per Pkw zu versuchen. Da aber die erste Station gleich einmal das Gelände der OMV-Erdölraffinerie in Schwechat sein sollte, wir aber nicht genau wußten, welcher Teil des Riesengeländes nun für die Zuschauermassen geöffnet ist, erfolgte ein fragender Telefonanruf bei der Info-Hotline. Auskunft: Zufahrt nur mit Bus möglich, weil mit Pkw keine Einfahrt ins Gelände erlaubt ist. Abfahrt des Busses bei Wien Mitte. Wir parkten also bei Wien Mitte und suchten den Bus. Da wir nicht fündig wurden, erfolgte ein weiterer Anruf bei der Hotline: Der Bus fährt eigentlich am Rennweg weg, aber da wir nun schon in Wien Mitte wären, böte sich doch der Flughafenexpreßzug CAT an, der im Preis inbegriffen wäre, und vom Flughafen mögen wir doch bitteschön den Bus zu OMV nehmen, das wäre sowieso der schnellere Weg.

Gesagt getan. Wir bestiegen den Zug und beäugten argwöhnisch den Fahrplan. Planmäßige Wartezeit bis zur Abfahrt: 30 min. Fein, dachten wir, uns ist eh gerade fad, warum uns nicht damit beschäftigen, einen stehenden Zug von innen zu betrachten? Nach Verstreichenlassen der besagten Wartezeit trödelte der Zug mit einer nervenzerfetzenden Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 30 km/h zum Flughafen, wo es uns tatsächlich gelang, die Station für den Bus in Richtung OMV auszumachen. Menschentrauben hatten sich dort jedoch bereits versammelt. Nach kurzen 15 Minuten erschien der Bus, der (im nachhein betrachtet) glücklicherweise so stehenblieb, daß sich eine seiner Türen genau vor unseren Nasen öffnete. Die Menschen begannen sich zu prügeln um hineinzukommen, wir prügelten fleißig mit und erkämpften uns so ein paar Sitzplätze. Eine Mutter schimpfte ihr Kind, weil dieses so langsam gewesen wäre, daß nun die gesamte Familie stehen mußte, was von den Sitzenden mit den tröstenden Worten: "Gehn's mochn's kan Streß wegen der kurzen Fahrzeit!" quittiert wurde.

Als der Bus so prall gefüllt war, daß er von außen wie ein Niederflurbus wirken mußten, hieß es allerdings: "Wer keinen Sitzplatz hat, muß raus!" Flüche hallten durch den engen Raum, Meuterungsversuche wurden unternommen, doch es half nichts. Menschenmassen quollen aus dem Bus hinaus, wir fuhren los und ließen ein unüberschaubares Menschenmeer zurück in der dunklen Nacht.

Nach inzwischen insgesamt 1,5 Stunden Reisezeit traf der Bus nun endlich bei der OMV ein, ausgerechnet an einem der Haupteingänge, vor dem ein eigener Besucherparkplatz eingerichtet ist. Wir hätten also schon über eine Stunde früher hier sein können, wenn wir mit dem eigenen Auto gefahren wären.

In der OMV herrschte Chaos. Um einen kleinen Stand herum gruppierten sich Trauben von Menschen. Wir dachten, hier richtig aufgehoben zu sein, denn wo Menschenmassen sind, muß es Freibier geben. Letzteres gab es nicht, jedoch Anmeldungen zu Führungen durch einzelne Abteilungen. Planmäßige Wartezeit bis zur nächsten freien Führung: 1,5 - 2 Stunden. Warten, dachten wir uns, das ist doch zu Abwechlung mal eine gute Idee. Angesicht dessen, daß wir uns aber auch noch andere Einrichtungen anschauen wollten, beschlossen wir jedoch, diese Idee zu verwerfen und begannen, die Organisation zu hinterfragen. Langer Diskussion kurzer Sinn: Pro Führung dürfen 10 Personen rein, 6 Führungen pro Stunde gibt es, macht 60 Personen pro Stunde. Es folgte ein kurzer mathematischer Quercheck zur Anlieferungsmenge interessierter Gäste per Bus, der folgendes Ergebnis brachte: Je 4 Busse zu je 70 Passagieren pro Stunde erreichen aus Wien und vom Flughafen kommend den Ort des Geschehens, macht 560 Personen pro Stunde, also fast die 10-fache Menge an Personen, die in die OMV durften. Ein wahrhaft geniales Konzept, fürwahr!

Wir beschlossen klein beizugeben und nach Wien zurückzukehren. Der Bus nach Wien war trotz neuerlichem Anruf bei der Hotline nicht auffindbar, also wählten wir den Weg über den Flughafen zurück (der Einsatz von massiver Ellbogentechnik zog zwar einigen Unmut auf uns, doch ergatterten wir dadurch wieder Bussitzplätze) und 4 Stunden nach Start der Expedition saßen wir endlich wieder im eigenen Auto.

Der kurze Rest des Abends wurde noch mit Robotern, neuesten Fahrzeugsoftwareerkenntnissen, der Recyclierbarkeit von Waschmaschinen und der Erdbebenforschung verbracht.
vienna-beads - 3. Oktober, 11:27

genauso hab ich mir das vorgestellt - und drum bin ich daheim geblieben. Ich wohne ja immerhin schon fast ein halbes Jahrhundert in Wien und bestimmte Dinge ändern sich einfach nicht.

derbaron - 3. Oktober, 11:35

Jo. Dafür waren die Roboter ok. Einer von denen hat nämlich Gratis-Cocktails zusammengemischt. Das hat uns wieder versöhnlich gestimmt. :-)
caliente_in_berlin - 3. Oktober, 12:35

wo gibts denn solche roboter zu kaufen? machen die jeden beliebigen cocktail? yummie!
derbaron - 3. Oktober, 12:55

Den haben die Studenten einer Fachhochschule gebaut. Und dann soll noch einer sagen, daß die nichts vernünftiges lernen. :-)
walküre - 3. Oktober, 11:45

nach der lektüre

ihres artikels verspüre ich einen zusehends heftiger werdenden drang, ein eigenes tanklager für den hausgebrauch anzulegen, da ich davon ausgehe, dass aufgrund mangelhafter organisation in kürze die versorgung österreichs mit brennbaren erdölderivaten zusammenbrechen wird ...

vienna-beads - 3. Oktober, 11:48

Aber nein! Da würde ich mir keine Sorgen machen.... Die sind dort nur nicht gewöhnt, dass die wer freiwillig besuchen kommt - so wie es dort immer stinkt. ;-)
derbaron - 3. Oktober, 11:57

Außerdem glaube ich, daß die dort, wo's ums Kohle machen geht, schon auf Zack sind. *g*
herold - 3. Oktober, 11:58

nach so viel action am wochenende müssen Sie heute ja fix und foxi sein! herold hofft, dass Sie in der kommenden woche die arbeitszeit zur regeneration nützen können.

derbaron - 3. Oktober, 12:05

Allerdings. Drum ersuche ich Sie auch, leise zu kommentieren, damit Sie mich nicht um meinen wohlverdienten Büroschlaf bringen.
caliente_in_berlin - 3. Oktober, 12:36

wir haben ja heute feiertag :-D
herold - 3. Oktober, 13:16

tsts, unsere deutschen freunde feiern einen tag im jahr die vereinigung und schimpfen die restlichen 364 tage darüber
derbaron - 3. Oktober, 13:55

Solange wir den nicht mitfeiern müssen ... *g*
herold - 3. Oktober, 14:09

andererseits - unsereins feiert ja auch gerne alle katholischen feiertage mit .....
dori - 3. Oktober, 14:29

*gg* Find ich wirklich witzig.. die deutschen Kunden von heute haben auch alle geschimpft... und alle genießen den tag *gg*
herold - 3. Oktober, 14:52

und weils gerade so schön zum thema und zur reisetätigkeit des barons passt: in berlin gibts einen veranstalter, der organisierte rundreisen mit teddybären (!) durchführt. klingt ein bisschen bluna, ist aber so.
dori - 3. Oktober, 15:06

Berlin ist aber nicht der Wohnort von mr. Bean... also, bitte, wer vergöttert seinen Teddy noch soo???
derbaron - 3. Oktober, 15:10

Teddybären? Als nächstes steht mal Barcelona am Programm. Was gibts dort so an Events?
herold - 3. Oktober, 15:13

warum fahren Sie so weit? bleiben Sie im land und erkunden Sie die müllverbrennungsanlage spittelau.
derbaron - 3. Oktober, 15:14

Die kenne ich schon. Die stinkt immer rüber zu uns.
herold - 3. Oktober, 15:17

dann empfehle ich Ihnen die therme blumau oder das hundertwasserhaus im 3. hieb. mehr hat Ihnen barcelona auch nicht zu bieten.
derbaron - 3. Oktober, 15:20

Wenn Sie auf einen Vergleich Antonio Gaudi vs. Friedensreich Hundertwasser hinausmöchten, dann kann ich nicht umhin, Ihnen jetzt den Fäkalausdruck "Banause" an den Kopf zu werfen.
herold - 3. Oktober, 15:24

ich bin erschüttert ......
derbaron - 3. Oktober, 15:26

Ich hoffe wegen Ihres unzulänglichen Vergleiches!
herold - 3. Oktober, 15:33

nein, sondern darüber, dass Sie sich mit f.h. eine gaudi machen
derbaron - 3. Oktober, 15:35

Nicht ich mache mir mit F.H. eine Gaudi, sondern F.H.s Architektur ist per se ein Witz, während in der Architektur von Gaudi viel Witz steckt, es also eine Gaude macht, sie zu bewundern.
dori - 3. Oktober, 15:05

Tja, auch warten will gelernt sein *g*

derbaron - 3. Oktober, 15:11

Ja, warten auf Godot Gott. Keine Ahnung, warum dann ICH warten mußte, obwohl ICH doch ... *grummel* :-)
dori - 3. Oktober, 15:14

obwohl sie doch... was??? ein hochwohlgeborenener Adeliger sind mit zugegebenermaßen erstaunlicher Intelligenz? ;-))
derbaron - 3. Oktober, 15:14

GÖTTLICH BIN !!!! *g*
dori - 3. Oktober, 15:20

aha, aso, ein Fall von Größenwahn.. soooo, und jetzt kommens laaaaaangsam wieder runter, herr baron.. ganz langsam... genau, ned das Kopferl an der Dachrinne anhaun.. guuuut... und langsam wieder am boden aufsetzten!
derbaron - 3. Oktober, 15:21

Na hören's! Auf Ihrem Weblog ham's mich grad noch zum Kaiser machen wollen!
dori - 3. Oktober, 15:28

bitte, das ist reine nutznießerei.... ;-)
derbaron - 3. Oktober, 15:29

Dann wünsch ich Gesundheit. Brauchen's a Taschentücherl?
dori - 3. Oktober, 15:45

nein danke, ist schon vorbei...aber wie wäre es mit einer wärmflasche, erkältet bin ich immer noch... ;-)
derbaron - 3. Oktober, 15:46

Also, da könnte ich auf die Schnelle nur mich anbieten. Flasche steht bei mir wohl außer Zweifel, heiß ist mir auch grad ... *g*
dori - 3. Oktober, 15:58

unmoralische Angebote um diese Uhrzeit... na herns ma auf, Herr Baron.. ;-)
derbaron - 3. Oktober, 16:07

Verzeihen Sie, das war natürlich ein rein medizinisches Angebot! :-)
ra-bea - 3. Oktober, 15:35

Hachja, und sie, Herr Baron, reden in meinem Blogg von einem "friedlichen Österreich" und prügeln sind dann in den Bus?! *tz*...

derbaron - 3. Oktober, 15:36

Kleiner Ausrutscher, sorry, kommt nicht wieder vor. *g*
ra-bea - 3. Oktober, 15:39

Und in so ein brutales Land soll ich also auswandern? Sie haben ihre Ideale verraten, Herr Baron! Stehen sie dazu! ;)...
derbaron - 3. Oktober, 15:42

Ähem. Dazu müßte man zuallererstmal Ideale haben, damit man selbige verraten kann. *räusper* *g*
ra-bea - 4. Oktober, 13:53

Der Baron ist also vollkommen Grundsatzlos?! ...Du irrst einfach so durch dein Leben? Ohne Richtwert?...Das enttäuscht mich jetzt! ;)
derbaron - 4. Oktober, 23:43

Jaaa. Stimmt. Leider. Keine Richtwerte.
Daß du das jetzt erst rausfindest, enttäuscht aber wiederum mich. :-)
sokrates2005 - 4. Oktober, 11:38

So ein langer Beitrag ...

nur um wieder die Fahrt mit dem eigenen Auto zu promoten. *g*

Idoru - 4. Oktober, 11:43

das ist eben des herrn baron Schmalspurnachweltleidenschaft. =)
derbaron - 4. Oktober, 12:38

Die Länge des Beitrages kann nur im Entferntesten andeuten, welche Entbehrungen wir in Kauf nehmen mußten, nur weil wir einmal (etwas unfreiwillig) auf das Auto verzichtet haben. Statt 4 Stunden unnötigerweise herumzuirren, wären wir mit dem Auto nur 1 Stunde unnötig herumgeirrt und hätten also noch ganz andere Dinge anschauen können. :-)
kopfchaos - 4. Oktober, 13:47

es hiess ja "nacht der forschung".....

..... also is' es doch nur konsequent die besucher nach dem bestmöglichen anfahrts- / anreiseweg forschen zu lassen.....
und ebenso kann man das ihrige verhalten im bus mit forschung gleichsetzen, oder wollen euer durchlaucht wohl ned behaupten, dass sich prügeln um einen sitzplatz nich' doch ein wenig forsch is' ?

derbaron - 4. Oktober, 23:42

So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Hieße das, daß diese ganze Organisation inszeniert war, um menschliches Verhalten in Streßsituationen zu testen?

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Stimmt, ...
eigentlich würde mein Kommentar reichen ...
sokrates2005 - 12. Januar, 15:38

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