Sie wissen bereits, daß es da dieses wunderbare Magazin gibt, das sich
mindestens haltbar nennt. Nun, ich hatte wiedermal die Ehre, für dieses wunderbare Magazin tätig werden zu dürfen, wofür ich den Machern dieses wunderbaren Magazins mehr als dankbar bin, denn dies ist, wie bereits im ersten Teil dieses Satzes erwähnt, eine besondere Ehre für mich.
Angesichts des über die Länder hereingebrochenen Frühlings habe ich mir diesmal erlaubt, dem Schöngeist in den Hintern zu treten, der den kurzen Augenblick frönenden Gefühlsduselei den Garaus zu machen und den Durchschnitt in den Himmel zu loben. Das diesbezügliche Pamphlet trägt denn auch - wie könnte es anders sein - den etwas phantasielosen Titel
Plädoyer für den Durchschnitt.
Alles Walzer und viel Vergnügen!
derbaron - 11. Mai, 10:19
Angesichts des gestern stattgefunden habenden Wien Marathons und der damit verbundenen Ansichtigwerdung von zigtausenden Wahnsinnigen, die völlig unverständlicherweise nichts besseres zu tun hatten, als an einem schönen Sonntag Morgen 42 Kilometer laufend zurückzulegen, wurde ich unwillkürlich an meine Studentenzeit erinnert, eine Zeit, in der man sich bekanntermaßen mit arbeitsintensiven jedoch schlecht bezahlten Nebenjobs über Wasser hält.
In jener Zeit begab es sich, daß auch ich an einem Marathon teilnahm, allerdings nicht als zahlender Läufer sondern als bezahlt werdender Werktätiger, der die Wahnsinnigen an einer Verpflegungsstation - wie der Name bereits vermuten läßt - verpflegte. Eine solche Verpflegungsstation wirft tausende Bananen sowie hektoliterweise isotonische Getränke und Trinkwasser unter das galoppierende Volk, welches die Bananenschalen und leeren Pappbecher zur Freude der nachfolgenden Läufer wiederum auf den Laufpfad wirft.
Ich selbst war der Trinkwasserstation zugeteilt, welche frisches klares Wiener Hochquellwasser in Becher abzufüllen und den vorbeilaufenden Wahnsinnigen darzubringen hatte. Frisch und klar? Nicht ganz. Denn zunächst wurde das besagte Wasser in einem Tankwagen der Bierbrauerei Ottakringer angeliefert. Nun erfüllt zwar das normalerweise im Tankwagen ausgelieferte Bier bestimmte Reinheitsgebote, das ausgeschenkte Wasser jedoch nicht. Schließlich war diesem die Herkunft deutlich anzuschmecken. Das Wasser jedenfalls wurde zwecks einfacherer Hantierbarkeit nicht direkt in die Pappbecher abgefüllt sondern in großen Müllcontainern, wie sie typischerweise bei der Entsorgung von Hausmüll zum Einsatz kommen, zwischengelagert. Die Müllcontainer waren zwar offenkundig gereinigt worden, dennoch ergab sich dadurch eine etwas schiefe Optik, die uns aber nicht weiter störte. Nach und nach wurde diesen Containern kübelweise Wasser entnommen, die Kübel auf einen Tisch gestellt, der parallel zum Laufpfad aufgestellt war und schließlich aus den Kübeln die Pappbecher befüllt, die dann den Wahnsinnigen ausgeteit wurden.
Der Marathon nahm seinen Lauf (bitte dieses Wortspiel zu würdigen), und die Spitzenläufer zogen vorbei. Was diesen folgte war eine nicht enden wollende Menschenansammlung, die sich gleichförmig schnaufend, schwitzend und stinkend vorwärts bewegte. Die Verpflegungsstation wurde gestürmt, das Wasser floß in Strömen. Mit zunehmender Zeit waren immer hoffnungslosere und erschöpftere Läufer auszumachen. Läufer, die unbedingt ins Ziel kommen wollten obwohl sie besser nie an einem Marathon teilnehmen hätten sollen. Menschen, denen in der Zwischenzeit alles egal schien, die zu allem fähig waren. Zugleich neigte sich das kühle Naß langsam aber sicher seinem Ende zu. Nun geschah es, daß einige dieser erschöpften schwitzenden Wahnsinnigen der Wasserkübel gewahr wurden, welche wir auf unserem Tisch drappiert hatten. Jene ihres Zweckes beraubend, stürzten einige der Läufer auf die Kübel zu, um in einem Anfall von Abkühlungsbedürfnis ihre verschwitzten Köpfe trotz unseres lautstarken Protestes darin zu versenken. Das Versenken hielt zum Glück nicht lange an, der Kopf wurde wieder entfernt und von seinem Träger weiter Richtung Ziel fortbewegt. Zurück blieben jedoch Wasserkübel, in denen Fettaugen schwammen, wie man sie von einer saftigen Rindssuppe gewohnt ist.
Was tun? Das Wasser ging zu Ende, der Durst war groß ... ich denke, ich muß nicht extra erwähnen, daß uns das Wasser als qualitätiv hochwertig genug erschien, um dieses auch weiterhin an Wahnsinnige auszuschenken, schließlich verfügte es neben einem leichten Biergeschmack nunmehr auch über wichtige Mineralstoffe und andere leckere Zutaten.
Marathonläufer sind an sich selber schuld, sie machen es ja freiwillig. Doch falls Sie je auf den Gedanken kommen sollten, selbst laufender Teilnehmer zu werden, trinken Sie vorher genug, um nicht auf Verpflegung zurückgreifen zu müssen, zu der Sie nicht greifen würden, wenn Sie es nicht bitter nötig hätten.
Immer komplexer und selbst für den konstruierenden Entwicklungsingenieur undurchschaubar werdendere Technologien bei zugleich immer kürzer werdenderen Entwicklungszeiten und dem Zwang nach Kostenreduktion bringen eine Unannehmlichkeit mit sich, der sich jeder Autobesitzer im Laufe der verhältnismäßig kurzen Lebenszeit seines Fahrzeuges mehrmals stellen muß - der Rückrufaktion.
Im Rahmen dieser - auch Umrüstaktionen oder aus verschleierungstechnischen Gründen Qualitätssicherungsmaßnahmen, Kundenserviceinteraktionen oder freiwilliger Technologieupdates genannten - Einladungen, doch bitte umgehendst die Werkstatt des jeweiligen Vertrauens aufzusuchen, werden stets höchst ungefährliche Mißstände einer Behebung zugeführt, die selbstverständlich überhaupt gar nie - also keinesfalls - zu einem Unfall geführt haben und auch ganz ganz sicher überhaupt nie - also unter keinen Umständen - zu einem Unfall führen können, die man aber trotzdem durchführt, weil man den jeweiligen Kunde sehr sehr lieb hat und sich auf diese Weise für dessen Kaufverhalten bedanken möchte.
Rückrufaktionen der letzten Jahre betrafen undichte Tanks, abfallende Vorderachsen, undichte Bremsleitungen, Lenkgetriebe, die stecken bleiben können, während der Fahrt auslösende Airbags, sich auflösende Gurtschlösser, platzende Reifen, überhitzende Sitzheizungen sowie diverse Elektronikprobleme, die bei einem Auto das verursachen, was der leidvolle User von Bill Gates' Betriebssystemen gewohnt ist. Nichts beunruhigendes also.
So war ich nicht wirklich überrascht, als jüngst auch mir ein Schreiben meines Autohändlers ins Haus flatterte, dessen Inhalt wie folgt lautet:
Sehr geehrter Herr Baron
(Woher bitte kennen die meinen Twoday-Nicknamen?)
Der Hersteller hat uns gebeten, im Rahmen der Qualitätssicherung (diesmal also "Qualitätssicherung") an Ihrem [...] (jaja, das Gemüseapfelfroschkotzgrüne) den Aufkleber am Türpfosten der linken Tür mit Angabe des Reifendrucks für das Reserverad zu korrigieren.
Diese Aktion ist unbedingt erforderlich und wird für Sie selbstverständlich kostenlos durchgeführt. Die dafür erforderliche Zeit beträgt ungefähr eine Stunde. [...]
Blabla, Höflichkeitsverabschiedungsfloskel, aus.
Ich erschrak, Panik machte sich breit, ich begann zu schwitzen, mein Herz raste. Schier unglaubliche Unfallszenarien bemächtigten sich meiner Phantasie. Die dem Tag des Briefeinganges folgenden Nächte waren von mit Schlaflosigkeit sich abwechselnden Albträumen geprägt. Ich fuhr sicherheitshalber erstmalig in meinem Leben mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Büro, nur um mich nicht dem Risiko eines eventuellen Unfalles auszusetzen. Schließlich kann man nie wissen, wie sich ein Reservereifenplatzer in dicht besiedeltem Wohngebiet bei der nervenzerfetzenden stadtbedingten Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h auswirken könnte ...
(Ehrlich gesagt werde ich versuchen, während der Qualitätssicherungsmaßnahme einen Blick in die Werkstatt zu erhaschen, um zu erfahren, welche geheimen Arbeiten in der einen Stunde, die mir für den Austausch eines Aufklebers doch etwas zu großzügig bemessen erscheint, noch durchgeführt werden.)
Eine liebe Freundin, der ich vor kurzem im Rahmen einer tiefschürfenden intellektuellen Auseinandersetzung mangelnden Mut vorgeworfen habe, entgegnete meine spitze Bemerkung mit der auf den ersten Blick wahrhaft philosophischen und zugleich entwaffnenden Aussage:
Der Mutige steht zu seiner Feigheit
Abgesehen davon, daß die besagte Dame angesichts dessen, daß sie den Inhalt dieses Satzkonvolutes auf sich selbst bezog und daß sie ergo dessen und angesichts ihrer primären und sekundären Geschlechtsmerkmale eigentlich zu der Aussage hätte kommen müssen, daß DIE Mutige zu IHRER Feigheit steht, abgesehen davon war ich schlagartig sämtlicher Argumente beraubt und konnte mich daher im Zuge der weiteren Diskussionen nur mehr in kleinlauten Boshaftigkeiten ohne jegliche Tiefenwirkung ergehen.
Hernach trug ich jenes Kleinod noch einige Tage lang in mir umher und dachte über Sinn und Unsinn der Aussage nach. Zu einem Ergebnis gelangte ich natürlich nicht, denn dafür fehlt mit der intellektuelle Esprit weiblicher Gedankengänge. Vielmehr ergaben sich aus dem Versuch dieses Denkprozesses eine Reihe von Fragen, die ich Sie nun bitte, zu verinnerlichen:
1. Zeugt es von Mut, zu seiner Feigheit zu stehen?
2. Ist man dadurch also gar nicht feig?
3. Oder täuscht man damit Mut nur vor?
4. Ist es nicht feig, Mut vorzutäuschen?
5. Ist es also feig, zu behaupten, der Mutige stünde zu seiner Feigheit?
6. Ist man aufgrund so einer Aussage also doch feig?
7. Oder wird die Feigheit in diesem Fall nur vorgetäuscht?
8. Aber ist es nicht ziemlich mutig, Feigheit vorzutäuschen?
9. Weiter geht es mit Frage 2.
Achtung: Diese Verinnerlichungsschleife sollte - um Schwindelanfälle zu vermeiden - maximal dreimal durchlaufen werden.
derbaron - 28. April, 09:18