Dienstag, 14. Februar 2006

Der Sommelier als Feind des Weins

Einst urlaubte ich auf einem alteingesessenen Weingut in der Toskana unweit von Siena, auf welchem versucht wurde, den Urlaubern nebst Versüßung des Aufenthaltes durch allerlei Annehmlichkeiten auch selbsterzeugten Wein anzudrehen. Zu diesem Behülfe wurde eines Tages eine Weinverkostung organisiert, die in den angenehm kühlen Kellern unterhalb der von der Augustsonne ausgeglühten Erde des Landgutes stattfand.

Um meine Geschmacksnerven nicht zu sehr von anderen lukullischen Genüssen beeinträchtigen zu lassen, verzichtete ich am Tag des Geschehens auf jegliche Mahlzeiten und erschien nüchtern wie zur Blutabnahme am Ort des Geschehens. Dort fand ich mich unter etwa 20 Gleichgesinnten wieder, welchen ebenso wie mir bereits der Sabber der Vorfreude im Gesicht stand. Wir nahmen Platz und es ging los. Zunächst wurde ein junger Weißwein geöffnet und reihum eingeschenkt. Rings um mich herum begann ein Nippen an den Gläsern. Weinkenner und Laien, die sich weinkennend gaben, nahmen einen kleinen Schluck aus dem Glas, zuzelten im Mund daran herum, schnalzten mit der Zunge, erzeugten dabei unappetitliche Grunz-, Gurgel- und Sauggeräusche und beförderten den eingespeichelten Schluck in einen Spucknapf, wo das nunmehr nicht mehr besonders vorteilhaft aussehende Testfluid umgehend mit dem Rest des noch im Glas befindlichen Weines verdünnt wurde.

Ich erstarrte. Was ich wahrnahm war nicht das, was ich erwartete. Ich kostete von meinem Glas, genoß den prickelnden Schluck Wein auf meiner Zunge und beförderte diesen durch die Speiseröhre abwärts in den Magen. "Lecker", dachte ich, betrachtete das noch ziemlich volle Glas für einige innige Momente und kippte dann den Rest in mich hinein, nicht ohne mich über den Abgang des edlen Gesöffs zu freuen.

Das Spiel, das wiederholte sich. Während Flasche um Flasche geöffnet wurde, während ringsherum ein Schmatzen, Zuzeln, ein Grunzen und Spucken, ein Plätschern weggeleerten Weines mir fast den Appetit verdarb, trank ich Glas um Glas immer qualitätsvoller werdender Weine. Nach 8 Flaschen exquisiten weissen Weines wurden 12 Flaschen roter Kostbarkeiten kredenzt, Kostbarkeiten welche jahrelang in Eichenfässern gelagert wurden und welche viel zu gut waren, um nach Ankostung weggeschüttet zu werden.

Höhepunkt war übrigens ein Chianti Classico Riserva, welcher 20 Jahre lang gelagert war, ein Kunstwerk für sich, ein Erlebnis, für das allein der lange Weg aus Wien sich lohnte. Ich trank davon gleich 3 Gläser, während das ungustiöse Schmatzen ringsherum ins Unermeßlichste sich steigerte.

Die Verkostung war vorbei. Ich erhob mich, wankte leicht und richtete meine etwas unsicheren Schritte in Richtung eines Lichtes, welches ich als Ausgang zu identifizieren glaube. Ich irrte nicht. Schnell fand ich mich oberhalb der Kellergewölbe wieder, wo die pralle Sonne sofort begann, meine spärlichen Haare zu bleichen. Es war einer jener Tage, die über 37°C im Schatten verfügten, mir wurde schwindlig, ich fiel zu Boden, die Welt war schwarz.

Wie ich in mein Bett gelangte ist bis heute nicht ganz geklärt. Fakt ist, leckeren, teuren und lange Jahre gelagerten Wein einzuspeicheln und glasweise wegzuschütten, das geht zu weit.

Rettet den Wein vor den Sommeliers! Auch im Sommer!

Donnerstag, 9. Februar 2006

Brennende Frage

Gestern Früh wurde ich durch eine irritierende Frage einer Freundin aus meiner Lethargie hochgerissen, die mich seither quält und nicht zu Ruhe kommern läßt. Es ist eine jener Fragen, die - wurden sie erst einmal gestellt - im Kopf herumgeistern, was sie dort so lange tun, bis selbige zur Zufriedenheit des Kopfinhabers beantwortet wurden.

Frank Zappa stellte einst eine dieser Fragen. Sie lautete:
Why does it hurt when I pee?

Während diese Frage durch Anhörung oder Lesung des entsprechenden Schlagertextes schnell und schlüssig klärbar war, harre ich noch einer Antwort auf die mich gestern in Ratlosigkeit gestürzt habende Frage der eingangs erwähnten Freundin.

Diese (die Frage, nicht die Freundin) lautet:
Geht am Sunset Boulevard die Sonne eigentlich nie auf?

Zweckdienliche Hinweise bitte in den Kommentaren zu hinterlassen.

Dienstag, 7. Februar 2006

Leben im Hotel

Auf für mich nicht ganz freiwilliger Basis wurde für die sehr nahe Zukunft ein Familientreffen in der Hauptstadt der Tschechischen Republik geplant. Passionierte Trivial-Pursuit-Spieler und Millionenshow- respektive Wer-wird-Millionär-Seher erahnen es bereits - die betreffende Stadt heißt Prag, ausländisch auch Praha genannt.

Wie in derartigen Fällen üblich, mußten zunächst Überlegungen und Übereinkünfte hinsichtlich Unterkunft sowie Hin- und Rückreise getätigt werden, was zur Folge hatte, daß sich Teile der Familie um einen Personalcomputer versammelten, sodaß dieser für einen kurzen Zeitabschnitt der Mittelpunkt derselben war. Während die Frage des Transportes schnell gelöst war (ausnahmsweise gelangt nicht die von mir präferierte Billigfluglinie Sky Europe zu der Ehre, mich transportieren zu dürfen, vielmehr fiel die Wahl nämlich auf die Nutzung zweier Personenkraftwagen), herrschte bei der Auswahl eines entsprechenden Beherbergungsbetriebes zunächst Ratlosigkeit, dann Frustration und schließlich Schläfrigkeit.

Das Anforderungsprofil für eine adequate Unterbringung lautete nämlich: ausreichend Bewegungsfreiheit, weiche Betten, möglichst zentrale Lage, höfliche Bedienung, ausgiebige Frühstücksmöglichkeiten, Parkplätze en masse und dies alles getreu dem alten Familienmotto "Kosten derf's nix".

Nach der Besurfung zahlreicher einschlägiger Internetauftritte mehr oder weniger seriöser Hotelfachbetriebe stand fest, daß Prag ein teures Pflaster ist, auf dem dem sightseeingwilligen Touristen aus dem südöstlich von Prag gelegenen goldenen Westen das Geld aus der Tasche gezogen wird, während derselbe in unkomfortable Minizimmer ohne Service gesteckt wird. Mangelnde Autoabstellflächen, die den Inhaber am Morgen nach der Nacht vor die Frage stellen, ob das abends zuvor geparkte Fahrzeug von der Polizei oder der russischen Automafia abgeschleppt worden ist, ergänzen das Angebot.

Und so reifte mit zunehmender Suche nach dem geeigneten Aufenthaltsort der Entschluß, jener internationalen Kette den Vorzug zu geben, die auch in der ehemaligen Monarchie Österreich Filialbetriebe besitzt, welche zu meinen dezitierten Lieblingsausflugszielen gehören - Ikea.

Mittels einstimmigem Familienbeschluß wurde demgemäß folgende Vorgangsweise festgelegt:
- Eintreffen der österreichischen Reisegruppe am Kundenparkplatz von IKEA Praha Černý Most.
- Parken der Fahrzeuge auf den dafür vorgesehenen Parkflächen
- Betreten des Möbelhauses und Aufsuchen des Restaurants zwecks Einnahme eines schwedischen Apperitives
- Einnahme der Warteposition in diversen Kleiderschränken der Schlafzimmerabteilung kurz vor Ladenschluß
- Verlassen der Kleiderschränke und Auswahl der Betten in der Bettenabteilung kurz nach Ladenschluß
- Schlaf der Gerechten inkl. Traumabsolvierung zum Thema schwedische Gardinen
- Morgendliche Pflege in der Badezimmerabteilung am Morgen danach
- Einahme eines schwedischen Frühstücks im Ikea-Restaurant
- Abfahrt mit anschließender Stadtbesichtigung

Eventuell nachtruhestörendes Wachpersonal amtshandelt im übrigen per du, ein Kundenservice, das in seiner Freund- und Höflichkeit auf dieser kalten Welt - derzeit hat es minus sieben (in Worten -7) grad Celsius - selten geworden ist.

Wohnst du noch oder lebst du schon? Ein Slogan, der die tschechische Hotellerie nicht nur angesichts des satten Ikea-Blaus blaß aussehen läßt.

Freitag, 3. Februar 2006

Bewerbungsgesprächscoaching

Vor kurzem kam ich in die für eine Freundin zweifelhafte Lage, diese zu coachen, auf Altdeutsch auch beraten genannt. Diese jene Freundin hatte nämlich soeben ihre universitäre Ausbildung nach der für österreichische Verhältnisse kurzen Zeit von 8 Jahren abgeschlossen, und nun beschloß sie, nach all der auf der Wirtschaftsuniversität zu Wien verbrachten Freizeit und kurz vor dem Eintritt in die Frühpension dem aktiven Arbeitsleben einen kurzen Lebensabschnitt zu widmen, weshalb sie sich bei einem Marketingunternehmen bewarb, welches sie unerwarteterweise umgehend kontaktierte und zu einem Bewerbungsgespräch einlud.

Nun stand sie vor dem Dilemma, sich zwar die bei derartigen gegenseitigen Beschnupperungen üblichen Standardfragen besorgt zu haben, doch fand sie keine Antworten auf dieselben, sodaß sie sich hilfesuchend an mich wandte und mich um Rat bat. Ich begab mich daher zu einer Unterredung zu ihr, genoß ein Schälchen parfumierten Tees und versuchte währenddessen, mich an meine eigenen Bewerbungen zu erinnern, die im Regelfall recht positiv für die Arbeitgeber ausgingen (die ersparten sich nämlich, mir ein Gehalt zahlen zu müssen). Ich räusperte mich, rückte meine Resthaare zurecht und begann zu dozieren.

Das wichtigste ist der Beginn, belehrte ich sie. Du betrittst um 8 Uhr Morgens den Raum des Human Ressources Fritzen und wirst zunächst gefragt werden, ob du eine Tasse Kaffee haben möchtest. Ein derartiges Angebot abzulehnen wäre äußerst unklug weil unhöflich. Doch hier verbirgt sich gleich der erste Stolperstein. Um zu zeigen, daß du zwar höflich aber dennoch ein Individualist bist, solltest du fragen, ob du stattdessen ein Bier haben dürftest, so wie du es ja in der Früh gewohnt bist.

Meine Freundin lächelte zustimmend. Großartig, das wird ihm gefallen. Vielleicht trinkt er ja eines mit, das lockert die Situation auf, dann biete ich ihm gleich das Du-Wort an. Ich nickte. Nimm einen kräftigen Schluck aus der Flasche, wisch dir mit dem Ärmel den Schaum aus deinem Damenbart und harre der Fragen. Die erste wird lauten "Warum haben Sie überhaupt studiert?" Du solltest einen mitleidsvollen Blick aufsetzen und dann erzählen, daß dein Vater ein versoffener Prolet war, der seine mit 12 Frauen gezeugten 9 Kinder gehaßt und verachtet hat. Du hast dich dein Leben lang benachteiligt gefühlt, sodaß du eines Tages aufgestanden bist, mit der Faust auf den Tisch geschlagen hast und gebrüllt hast "Papa du Trottel, dir zeig ich's. Ich werde jetzt Magistra!" So tatest du, schnürtest dein Bündel und gingest in die große fremde Stadt.

"Verständlich, und warum mußte es dann ein Wirtschaftsstudium werden?" wird die nächste Frage sein. Hier wäre dem Personalrecruiter zu erzählen, daß du dich das bei deinem Eintreffen in der großen fremden Stadt auch gefragt hast, dir dann aber deine Kindheit eingefallen ist, die du in deinem Kinderzimmer verbracht hast. In dieses sei regelmäßig deine Mutter eingedrungen, hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und ausgerufen "Was für eine Wirtschaft!" Du dachtest, warum nicht gleich das studieren, was schon als Kind dein liebstes Hobby war?

Der Personaleinsteller wird sehr zufrieden mit dir sein und nun Persönliches erfahren wollen. "Nennen Sie drei Ihrer negativen Eigenschaften." Hier lohnt es sich, ehrlich zu sein, also wäre hier folgende Antwort angebracht: "Ich habe beschlossen, ganz ehrlich zu Ihnen zu sein, daher sage ich Ihnen - bevor ich irgendwelche negativen Eigenschaften erfinde - lieber gleich, daß ich keine negativen Eigenschaften habe." Selbstbewußtsein und absolute Offenheit wird schließlich belohnt.

Zum Abschluß des Gespräches wird dir die Frage gestellt werden, wo du dich nach fünf Jahren im Unternehmen wiederfinden willst. Du bist jung, du siehst gut aus, du dringst in eine Männerdomäne ein. Stelle dem Human Ressourcer in Aussicht, der Erste zu sein, mit dem du dich einlassen würdest. Sag ihm, daß du vorhast, in einigen Jahren Abteilungsleiterin zu werden, weshalb du dich kreuz und quer durch's gesamte Haus hochschlafen wirst. Paß nur auf dabei, denn wenn du schlecht im Bett bist könnte daraus ein Runterschlafen werden, was dich zurück zum Start werfen, also zu einer einfachen Angestellten machen würde.


Meine Freundin bedankte sich überglücklich für die wertvollen Ratschläge und trug die ausgetrunkene Teetasse in die Küche. Ich bedankte mich für's zuhören und verabschiedete mich. Heute um 8 Uhr hat meine Freundin ihr Bewerbungsgespräch. Ich denke Sie bekommt den Job.

Der Baron

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Stimmt, ...
eigentlich würde mein Kommentar reichen ...
sokrates2005 - 12. Januar, 15:38

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