Mittwoch, 14. Februar 2007

Schweizer Bürokratieeigenarten

Versucht man, aus seiner angestammten österreichischen Gegend zu emigrieren und in der benachbarten Schweiz Fuß zu fassen, so muß man sich wie in jedem überorganisierten Land der Welt durch einen Dschungel aus behördlich induzierten Unwägbarkeiten kämpfen. Unwägbarkeiten, die erst im Zuge des Bewältigungsversuches ihre wahre Tragweite entfalten und die dem allseits beliebten Gesellschaftsspiel Mensch-ärgere-dich-nicht gleich einen mehrmaligen Rauswurf aus dem systemimmanenten Prozeß bedeuten und eine Rückführung an die Startposition nach sich ziehen. So wird im Laufe der Zeit erst klar, daß man für den Abschluß gewisser Unabdinglichkeiten eine gewisse Reihenfolge einzuhalten hat.

Die Einrichtung eines organisierten Lebens in der Schweiz bedarf folgender offizieller Randbedingungen:
- Wohnung samt Mietvertrag
- Arbeitsvertrag
- Aufenthaltsbewilligung
- Wohnsitzmeldung
- Bankkonto
- Krankenversicherung

Arbeitsvertrag sowie Wohnung samt Mietvertrag stehen am Beginn der Aktivitäten, welche zu diesem Zeitpunkt relativ unkompliziert zu sein scheinen. Der Zuzügler freut sich ob der in seiner Hand befindlichen und seine Lebensgrundlage sichernden Dokumente und pilgert frohgemuts zum Meldeamt seiner zukünftigen Wohngemeinde, um seinem Zuzug eine offizielle Note zu verleihen und in der Hoffnung, die offizielle Niederlassungsbestätigung als Basis für die weitere Selbstorganisation nutzen zu können. Weit gefehlt, denn was man benötigt, um seinen Wohnsitz überhaupt erst anmelden zu können, ist der Nachweis der Anmeldung bei einer von hunderten Krankenkassen.

In der Zwischenzeit organisiert der zukünftige Arbeitgeber eine Arbeitsbewilligung, zumindest geht man davon aus, denn was man tatsächlich erhält, ist eine einstweilige Arbeitsbewilligungszusicherung, die erst bei der Meldung am zuständigen Wohnsitzgemeindeamt zu einer echten Aufenthaltsbewilligung samt zugehörigem Ausländerausweis umadministriert und somit umbürokratisiert wird. Ebenfalls erfährt man bei Auskunftseinholung bei der Schweizer Bank seines zukünftigen Vertrauens, daß der Abschluß eines Kontos an die Wohnsitzmeldung gebunden ist.

Die Reihenfolge des administrativen Abwicklungsprozesses stellt sich zu diesem Zeitpunkt also wie folgt dar.
1. Arbeitsvertrag
2. Arbeitsbewilligungszusicherung
3. Wohnung mit Mietvertrag
4. Anmeldung bei der Krankenversicherung
5. Wohnsitzmeldung
6. Arbeitsbewilligung
7. Bankkonto

Gemäß dem nunmehrigen Wissen um die korrekte einzuhaltende Reihenfolge, macht sich der Auslandsösterreicher an die Auswahl einer ihm genehmen Krankenkasse, lädt das zugehörige Anmeldeformular von der Homepage des zukünftigen Krankenversicherers herunter und beginnt voller Elan, mit seinem Parker-Kugelschreiber, den er demnächst gegen einen Kugelschreiber der Marke Mont Blanc einzutauschen hat, die darin angefragten persönlichen Daten einzutragen. Die neu aufgekeimte Euphorie währt nur kurz, denn schon nach wenigen Zeilen wird man dazu aufgefordert, seine Wohnsitzmeldung und seine Arbeitsbewilligung in Kopie beizulegen sowie die Daten seines Bankkontos bekanntzugeben.

Entnervt landet das Anmeldeformular im Eck, man geht zu Bett, um sich am nächsten Morgen telefonisch bei der Krankenkasse zu melden und um Aufnahme zu betteln, obwohl man die vorgeschriebenen Nachweise nicht erbringen kann. Nachdem man die dem Ansinnen lauschende Dame dazu genötigt hat, vom lokalen Schweizer Idiom auf Hochdeutsch zu wechseln, erklärt der hilflose Antragsteller, daß die gegenseitige Nachweispflicht bereits getätigt zu habender Anmeldungen einer Katze gleich käme, die sich in den Schwanz beisse, worauf jene in schallendes Gelächter ausbricht, denn diese Redewendung scheint nur in Österreich bekannt zu sein.

Schlußendlich gelingt es, die Phrase der zugegebenermassen sehr freundlichen und entgegenkommenden Dame zu erklären sowie ihr das Versprechen abzuringen, die zu erbringenden Nachweise zu einem späteren Zeitpunkt nachreichen zu dürfen und eine Meldung bei der Krankenkasse zu akzeptieren, wenn auch nur auf vorläufiger Basis.

Derzeit ist das Leben also ein auf vorläufigen Zusagen basierendes. Verbindlich wird es erst, wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt, um sämtliche Auflagen zeitgleich, weil voneinander abhängend, zu erschlagen. Man ist wieder im Spiel. Und selbst verlorene Schlachten lassen nicht darüber hinwegtäuschen, daß selbst ein Österreicher es schaffen wird, die Schweiz zu erobern.

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RokkerMur - 26. Januar, 22:38
Bei der Gelegenheit:...
Bei der Gelegenheit: kann mir mal jemand Dativ und...
blogger.de:esperanza.sueno.realidad - 6. September, 16:29
Stimmt, ...
eigentlich würde mein Kommentar reichen ...
sokrates2005 - 12. Januar, 15:38

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