Management by Chaos
oder: Wie man die lange Nacht der Forschung organisiert, ohne auf Erkenntnisse der mathematischen Forschung zurückzugreifen.
Samstags fand in Wien die lange Nacht der Forschung statt. Nicht-Wiener mögen sich das folgendermaßen vorstellen: Man versammelt sich am Heldenplatz, von dem aus einige eigens dafür eingerichtete Buslinien zu diversen Firmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen fahren, die von 17 bis 24 Uhr ihre Tore öffnen und dem interessierten Publikum zeigen, was man übers Jahr im stillen Kämmerchen produziert.
Ein kleines Grüppchen machte sich also auf und besorgte sich Eintrittskarten für das besagte Event. Wer die autophile Ader des Herrn Baron kennt, der weiß, daß Busse nicht gerade seine erste Wahl sind, weil selbige im Normalfall überfüllt, langsam und stickig sind. Man beschloß daher, es per Pkw zu versuchen. Da aber die erste Station gleich einmal das Gelände der OMV-Erdölraffinerie in Schwechat sein sollte, wir aber nicht genau wußten, welcher Teil des Riesengeländes nun für die Zuschauermassen geöffnet ist, erfolgte ein fragender Telefonanruf bei der Info-Hotline. Auskunft: Zufahrt nur mit Bus möglich, weil mit Pkw keine Einfahrt ins Gelände erlaubt ist. Abfahrt des Busses bei Wien Mitte. Wir parkten also bei Wien Mitte und suchten den Bus. Da wir nicht fündig wurden, erfolgte ein weiterer Anruf bei der Hotline: Der Bus fährt eigentlich am Rennweg weg, aber da wir nun schon in Wien Mitte wären, böte sich doch der Flughafenexpreßzug CAT an, der im Preis inbegriffen wäre, und vom Flughafen mögen wir doch bitteschön den Bus zu OMV nehmen, das wäre sowieso der schnellere Weg.
Gesagt getan. Wir bestiegen den Zug und beäugten argwöhnisch den Fahrplan. Planmäßige Wartezeit bis zur Abfahrt: 30 min. Fein, dachten wir, uns ist eh gerade fad, warum uns nicht damit beschäftigen, einen stehenden Zug von innen zu betrachten? Nach Verstreichenlassen der besagten Wartezeit trödelte der Zug mit einer nervenzerfetzenden Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 30 km/h zum Flughafen, wo es uns tatsächlich gelang, die Station für den Bus in Richtung OMV auszumachen. Menschentrauben hatten sich dort jedoch bereits versammelt. Nach kurzen 15 Minuten erschien der Bus, der (im nachhein betrachtet) glücklicherweise so stehenblieb, daß sich eine seiner Türen genau vor unseren Nasen öffnete. Die Menschen begannen sich zu prügeln um hineinzukommen, wir prügelten fleißig mit und erkämpften uns so ein paar Sitzplätze. Eine Mutter schimpfte ihr Kind, weil dieses so langsam gewesen wäre, daß nun die gesamte Familie stehen mußte, was von den Sitzenden mit den tröstenden Worten: "Gehn's mochn's kan Streß wegen der kurzen Fahrzeit!" quittiert wurde.
Als der Bus so prall gefüllt war, daß er von außen wie ein Niederflurbus wirken mußten, hieß es allerdings: "Wer keinen Sitzplatz hat, muß raus!" Flüche hallten durch den engen Raum, Meuterungsversuche wurden unternommen, doch es half nichts. Menschenmassen quollen aus dem Bus hinaus, wir fuhren los und ließen ein unüberschaubares Menschenmeer zurück in der dunklen Nacht.
Nach inzwischen insgesamt 1,5 Stunden Reisezeit traf der Bus nun endlich bei der OMV ein, ausgerechnet an einem der Haupteingänge, vor dem ein eigener Besucherparkplatz eingerichtet ist. Wir hätten also schon über eine Stunde früher hier sein können, wenn wir mit dem eigenen Auto gefahren wären.
In der OMV herrschte Chaos. Um einen kleinen Stand herum gruppierten sich Trauben von Menschen. Wir dachten, hier richtig aufgehoben zu sein, denn wo Menschenmassen sind, muß es Freibier geben. Letzteres gab es nicht, jedoch Anmeldungen zu Führungen durch einzelne Abteilungen. Planmäßige Wartezeit bis zur nächsten freien Führung: 1,5 - 2 Stunden. Warten, dachten wir uns, das ist doch zu Abwechlung mal eine gute Idee. Angesicht dessen, daß wir uns aber auch noch andere Einrichtungen anschauen wollten, beschlossen wir jedoch, diese Idee zu verwerfen und begannen, die Organisation zu hinterfragen. Langer Diskussion kurzer Sinn: Pro Führung dürfen 10 Personen rein, 6 Führungen pro Stunde gibt es, macht 60 Personen pro Stunde. Es folgte ein kurzer mathematischer Quercheck zur Anlieferungsmenge interessierter Gäste per Bus, der folgendes Ergebnis brachte: Je 4 Busse zu je 70 Passagieren pro Stunde erreichen aus Wien und vom Flughafen kommend den Ort des Geschehens, macht 560 Personen pro Stunde, also fast die 10-fache Menge an Personen, die in die OMV durften. Ein wahrhaft geniales Konzept, fürwahr!
Wir beschlossen klein beizugeben und nach Wien zurückzukehren. Der Bus nach Wien war trotz neuerlichem Anruf bei der Hotline nicht auffindbar, also wählten wir den Weg über den Flughafen zurück (der Einsatz von massiver Ellbogentechnik zog zwar einigen Unmut auf uns, doch ergatterten wir dadurch wieder Bussitzplätze) und 4 Stunden nach Start der Expedition saßen wir endlich wieder im eigenen Auto.
Der kurze Rest des Abends wurde noch mit Robotern, neuesten Fahrzeugsoftwareerkenntnissen, der Recyclierbarkeit von Waschmaschinen und der Erdbebenforschung verbracht.
Samstags fand in Wien die lange Nacht der Forschung statt. Nicht-Wiener mögen sich das folgendermaßen vorstellen: Man versammelt sich am Heldenplatz, von dem aus einige eigens dafür eingerichtete Buslinien zu diversen Firmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen fahren, die von 17 bis 24 Uhr ihre Tore öffnen und dem interessierten Publikum zeigen, was man übers Jahr im stillen Kämmerchen produziert.
Ein kleines Grüppchen machte sich also auf und besorgte sich Eintrittskarten für das besagte Event. Wer die autophile Ader des Herrn Baron kennt, der weiß, daß Busse nicht gerade seine erste Wahl sind, weil selbige im Normalfall überfüllt, langsam und stickig sind. Man beschloß daher, es per Pkw zu versuchen. Da aber die erste Station gleich einmal das Gelände der OMV-Erdölraffinerie in Schwechat sein sollte, wir aber nicht genau wußten, welcher Teil des Riesengeländes nun für die Zuschauermassen geöffnet ist, erfolgte ein fragender Telefonanruf bei der Info-Hotline. Auskunft: Zufahrt nur mit Bus möglich, weil mit Pkw keine Einfahrt ins Gelände erlaubt ist. Abfahrt des Busses bei Wien Mitte. Wir parkten also bei Wien Mitte und suchten den Bus. Da wir nicht fündig wurden, erfolgte ein weiterer Anruf bei der Hotline: Der Bus fährt eigentlich am Rennweg weg, aber da wir nun schon in Wien Mitte wären, böte sich doch der Flughafenexpreßzug CAT an, der im Preis inbegriffen wäre, und vom Flughafen mögen wir doch bitteschön den Bus zu OMV nehmen, das wäre sowieso der schnellere Weg.
Gesagt getan. Wir bestiegen den Zug und beäugten argwöhnisch den Fahrplan. Planmäßige Wartezeit bis zur Abfahrt: 30 min. Fein, dachten wir, uns ist eh gerade fad, warum uns nicht damit beschäftigen, einen stehenden Zug von innen zu betrachten? Nach Verstreichenlassen der besagten Wartezeit trödelte der Zug mit einer nervenzerfetzenden Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 30 km/h zum Flughafen, wo es uns tatsächlich gelang, die Station für den Bus in Richtung OMV auszumachen. Menschentrauben hatten sich dort jedoch bereits versammelt. Nach kurzen 15 Minuten erschien der Bus, der (im nachhein betrachtet) glücklicherweise so stehenblieb, daß sich eine seiner Türen genau vor unseren Nasen öffnete. Die Menschen begannen sich zu prügeln um hineinzukommen, wir prügelten fleißig mit und erkämpften uns so ein paar Sitzplätze. Eine Mutter schimpfte ihr Kind, weil dieses so langsam gewesen wäre, daß nun die gesamte Familie stehen mußte, was von den Sitzenden mit den tröstenden Worten: "Gehn's mochn's kan Streß wegen der kurzen Fahrzeit!" quittiert wurde.
Als der Bus so prall gefüllt war, daß er von außen wie ein Niederflurbus wirken mußten, hieß es allerdings: "Wer keinen Sitzplatz hat, muß raus!" Flüche hallten durch den engen Raum, Meuterungsversuche wurden unternommen, doch es half nichts. Menschenmassen quollen aus dem Bus hinaus, wir fuhren los und ließen ein unüberschaubares Menschenmeer zurück in der dunklen Nacht.
Nach inzwischen insgesamt 1,5 Stunden Reisezeit traf der Bus nun endlich bei der OMV ein, ausgerechnet an einem der Haupteingänge, vor dem ein eigener Besucherparkplatz eingerichtet ist. Wir hätten also schon über eine Stunde früher hier sein können, wenn wir mit dem eigenen Auto gefahren wären.
In der OMV herrschte Chaos. Um einen kleinen Stand herum gruppierten sich Trauben von Menschen. Wir dachten, hier richtig aufgehoben zu sein, denn wo Menschenmassen sind, muß es Freibier geben. Letzteres gab es nicht, jedoch Anmeldungen zu Führungen durch einzelne Abteilungen. Planmäßige Wartezeit bis zur nächsten freien Führung: 1,5 - 2 Stunden. Warten, dachten wir uns, das ist doch zu Abwechlung mal eine gute Idee. Angesicht dessen, daß wir uns aber auch noch andere Einrichtungen anschauen wollten, beschlossen wir jedoch, diese Idee zu verwerfen und begannen, die Organisation zu hinterfragen. Langer Diskussion kurzer Sinn: Pro Führung dürfen 10 Personen rein, 6 Führungen pro Stunde gibt es, macht 60 Personen pro Stunde. Es folgte ein kurzer mathematischer Quercheck zur Anlieferungsmenge interessierter Gäste per Bus, der folgendes Ergebnis brachte: Je 4 Busse zu je 70 Passagieren pro Stunde erreichen aus Wien und vom Flughafen kommend den Ort des Geschehens, macht 560 Personen pro Stunde, also fast die 10-fache Menge an Personen, die in die OMV durften. Ein wahrhaft geniales Konzept, fürwahr!
Wir beschlossen klein beizugeben und nach Wien zurückzukehren. Der Bus nach Wien war trotz neuerlichem Anruf bei der Hotline nicht auffindbar, also wählten wir den Weg über den Flughafen zurück (der Einsatz von massiver Ellbogentechnik zog zwar einigen Unmut auf uns, doch ergatterten wir dadurch wieder Bussitzplätze) und 4 Stunden nach Start der Expedition saßen wir endlich wieder im eigenen Auto.
Der kurze Rest des Abends wurde noch mit Robotern, neuesten Fahrzeugsoftwareerkenntnissen, der Recyclierbarkeit von Waschmaschinen und der Erdbebenforschung verbracht.
derbaron - 3. Oktober, 11:06
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