Freitag, 11. Mai 2007

Hotelnormierungen am Beispiel Britanniens

Diese Woche hatte ich das ausserordentliche Vergnügen, mich drei Nächte lang in einem in den britischen Midlands situierten Hotel aufzubewahren, das von alleine frühstückenden äusserst seriösen Geschäftsreisenden in dunklen Anzügen geprägt war und das auch sonst die überteuerte bemüht halbelegante Kunstnoblesse ausstrahlte, die man von firmenabzockenden Businesshotels kennt. Als ich mein Zimmer am ersten Abend betrat, eröffnete sich mir denn auch die typische Uniformität derartiger Etablissements, welche aus einem kaum vollständig genutzten Doppelbett, zweier Nachtkästchen inklusive wohl kaum genutzter Bibel, einem Fauteuil und einem unter einem Wandspiegel montierten Board bestand, auf dem es sich ein kleiner schlecht eingestellter Fernsehapparat, ein fix verkabelter Fön und ein Wasserkocher inklusive Löskaffeeschiffchen bequem gemacht hatten. Eine kurze Überprüfung der TV-Kanäle bestätigte meine Vermutung, dass auch diesmal einige schlüpfrige Pay-TV-Filmchen auf der Firmenhotelrechnung aufscheinen hätten können wenn ich mich nur getraut hätte. Ich bemerkte die wie gewohnt mitten auf dem Board liegende Willkommensmappe und die mein Nachtkästchen verstellende Anleitung für das Zimmertelefon und räumte beides aus Platzbedarfgründen in den geschmacklosen Einbauschrank, der wie üblich im Flur neben dem Badezimmer stand. Weiters vertauschte ich die Position von Fön und Wasserkocher, packte sämtliche im Bad vorgefundenen Miniseifen und Duschgelsäckchen zwecks Befriedigung meines Sammeltriebes in meinen Koffer, benutzte das am vordersten Blatt zu einem Spitz zusammengefaltete Klopapier, genehmigte mir 2 Tassen Kaffee, zappte eine Weile durch die Kanäle und schlief ein.

Am Ende des darauffolgenden Arbeitstages eröffnete sich mir nach dem Öffnen meiner Zimmertüre erneut die Herrlichkeit meines temporären Reiches. Ich liess meinen Blick schweifen und sah die mitten am Board liegende Willkommensmappe, die das Nachtkästchen verstellende Telefonanleitung, das in seine Urposition rückgeführte Aufstellungsverhältnis von Fön zu Wasserkocher sowie die exakt selbe Anzahl an Löskaffee- und Zuckerschiffchen, Miniseifen und Duschgelsäckchen wie ich sie bereits am Vortag wahrgenommen hatte. Nicht erwähnen muss ich, dass auch Bett, Handtücher und Duschvorhang dasselbe Erscheinungsbild aufwiesen, sowie erneut das erste Blatt des Klopapiers bar jeder praktischen Funktion in Form eines Spitzes sein kurzes Dasein fristete.

"Ja sakra!" dachte ich in bester bayrischer Tradition (denn das britische Vulgärequivalent erschien mir angesichts der mich umgebenden Pseudoeleganz unangebracht), "können die nicht mal den Platz frei lassen, den man sich tags zuvor erst erobert hat?" Diesmal stellte ich die Bibel ins Badezimmer, versteckte Telefonanleitung und Willkommensmappe in je einem Nachtkästchen, packte wiederum sämtliche Miniseifen und Duschgels in meinen Koffer und stellte den Wasserkocher nach dessen Gebrauch auf das Fauteuil. Danach legte ich den nichtbenutzten Polster meines Doppelbettes in den hässlichen Vorzimmereinbauschrank, schob Fauteuil samt Wasserkocher in die andere Zimmerecke und ging hernach zu Bett. Des Morgens bastelte ich aus den vordersten 2 Blättern der Klopapierrolle einen Papierflieger, vertauschte Duschvorhang und Fenstervorhang und verliess das Hotel.

Müssig zu erwähnen, in welchem Zustand ich mein Zimmer am Abend desselben Tages vorfand. Sogar die Bibel entdeckte ich in meinem Nachtkästchen wieder, wenngleich sie zukünftig wohl einige Schimmelflecken ihr eigen nennen wird. Ich beendete meine Testreihe an diesem Abend, da ich wohl der Ergebnisse meiner reziproken chaostheoretischen Praxiserprobungen am Abend des nächsten Tages abreisebedingt nicht mehr ansichtig werden würde, beschloss jedoch, nächstes mal Bibel gegen Koran zu tauschen, Wasserkocher, Fön und Fernseher in meinen Koffer zu packen, das Bettzeug in der Badewanne zu verstauen, die Festerscheiben mit Duschgel einzuseifen sowie das diensthabende Personal dadurch zu verwirren, zusätzliche Seifen, Duschgelsäckchen und Löskaffeeschiffchen im Zimmer zu verteilen.

Wäre doch gelacht, wenn man das Hotelpersonal nicht so lange beschäftigen könnte, dass es diesem nicht gelingt, die global normierte Businesshotelordnung bis zu meiner abendlichen Rückkehr wiederherzustellen.

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sokrates2005 - 12. Januar, 15:38

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