Straches Duell um Wien
Für ihren Wahlkampfauftakt hat sich sie Wiener FPÖ einen besonderen Ort ausgesucht. Den Viktor Adler Markt im 10. Wiener Gemeindebezirk, auch Favoriten genannt. Das Zentrum des Wiener Proletariats. Während man die vorbeiströmenden Passanten tagsüber mit altvatrischen Kalauern Klassikern der volksdümmlichen Musik quält, setzen gegen Abend die schon zu erwartenden Brandreden ein.
"Favoriten und die FPÖ haben eines gemeinsam!", poltert ein FPÖler der ausgedienteren Garde in breitem Slang, "Es fangen beide mit F an!" Ein Spitzenargument, das mich fast überzeugt hätte. Es ist 17:30, der Auftritt des Parteiführers H.C. Strache steht kurz bevor, es muß für Stimmung gesorgt werden. "Und es freut mich, diese schier unglaubliche Zuschauerzahl hier begrüßen zu dürfen", brüllt er etwa 400 gleichgültig dreinschauenden Sympathisanten entgegen, die er nicht sehen kann, weil sich in der ersten Reihe bezahlte Funkionäre mit Transparenten aufgestellt haben, die einen Blick von der und auf die Bühne verunmöglichen. Es folgt ein weinerliches Zetern gegen den ORF, der angeblich die so bemitleidenswerte FPÖ zensuriert, ignoriert oder was auch immer, gefolgt von Buhrufen durch die gespielt aufgebrachte Funktionärsmenge und dann geht es los.
H.C. Strache betritt die Bühne und der Platz beginnt sich etwas zu füllen. Es folgt ein einstündiger rhetorischer Rundumschlag gegen Ausländer, Asylwerber, Sozialschmarotzer und alle Österreicher, die nicht die FPÖ wählen, also Kommunisten sind, bestätigt durch zustimmende Grunz-, Gröhl- und Heullaute aus der versammelten Zuschauerschar. Weltuntergangsszenarien werden heraufbeschworen: Afrikanische Asylwerber entführen kleine blonde österreichische Mädchen und vergewaltigen sie. Drogendealer besetzen unser Land und planen einen Putsch gegen die Regierung, zuvor machen sie sämtliche Volksschüler Wiens drogenabhängig. Georgische Räuberbanden räumen Schloß Schönbrunn leer. Islamisten zerstören unsere Kirchen und ersetzen diese durch Moscheen. In Gerichtsgebäuden wird zukünftig auf den Koran geschworen, brave österreichische Hausmütterchen, die unser Land aufgebaut haben, müssen eine Burka tragen.
"Deutsch statt nix versteh'n", proklamiert H.C. Der Herr mit dem Bierbauch neben mir rülpst und schreit "Genau, weu des is unsare Gultur! De solln si schleichn, de Viecha, heast!" Mundl Sackbauer wäre entsetzt gewesen, wenngleich der Wahlkampf unter dem Motto "Damit der echte Wiener nicht untergeht" zu stehen scheint. "Die Amerikaner wollen, daß die Türkei in die EU kommt! Und das ist erst der Anfang! Als nächstes sollen Marokko, Libyen und sogar Israel folgen!" Das Volk zürnt: "San de deppert wurn? Wos woin de Israeli in da EU? De san a um nix bessa ois des wos de de Nazis vurwerfn! Solln se schleichn heast!" Zornesröte blitzt in den Gesichtern der H.C. Fans auf.
"Ich spreche hier bewußt die Leitkultur an, wir sind ein christliches Land und ich bestehe darauf, daß das so bleibt und wir nicht vom Islam überrollt werden!" Ein etwa 16-jähriger Glatzkopf hegt erste Zweifel. "Za wos brauch i a Gultur. Und auf de Kirchn wird a gschissn. Hauptsoch de Tschuschn schleichn si ham." Sein Feund bestätigt die wohldurchdachte Kritik: "De Trottln, de deppatn! Pfui! Ausse!"
"Wenn ich durch Wien gehe, sehe ich an jeder Ecke Kebab-Buden, türkische Lokale und China-Restaurants! Ich will das nicht! Zu unserer Kultur gehört der Würschtelstand und der Schnitzelwirt!" - Ein älterer Herr mit rotem Kopf hebt die Faust: "De Tirkn soll se eana Kebab hintn einführn! Mia hom eh n Heirign!"
"In Wien läßt Häupl [Anm. Bürgermeister von Wien] es zu, daß Haßprediger in Moschen predigen!", schreit der Haßprediger. "Aber wer zu uns kommt, der muß sich anpassen, sonst hat er hier bei uns nichts verloren!" Der Bierbäuchige wirkt erhitzt: "Genau, de Deppatn soll se an uns anpassn!" Mir wird leicht übel. Anpassen? An einen versoffenen Proleten, der vom Leben benachteiligt wurde (wofür er möglicherweise nichts kann)? Jedoch: "Mia san mia. Obe mit dem Schleia bei de Moslemfraun. Oda bessa glei ausse mit de Weiba!"
"Pummerin statt Muezzin!" und "Wir müssen Herr im eigenen Haus bleiben!". Bierzeltstimmung macht sich breit.
"Ich fordere Häupl zum Duell um Wien heraus. Wie in einem Boxkampf. Und Sie alle wissen, Häupl ist ein Schwergewicht, im wahrsten Sinn des Wortes!" poltert H.C. Ein höhnisches Gelächter geht durch die Menge. "Da Heipl, der blade Wamst, gibs eam Strache!", "Schenk eam ei, dem Wamperten!"
Ich erspare Ihnen weitere Details. Das Zwigespräch mit der Menge ging noch eine Weile lang dahin, dann wurde Fendrichs "I am from Austria" zum besten gegeben, ein hier wohl mehr als mißbräuchlich eingesetzter Titel, der die Menge dazu bewog, patriotische Wehmut hochkommen zu lassen und lauthals mitzugrölen. Strache gab noch einige Autogramme, dann war der Spuk vorbei.
Wollen wir hoffen, daß die mittlerweile in FPÖ und BZÖ gespaltenen Parteien der angeblich so Anständigen und Aufrechten bei der Wiener Wahl das Wählerstimmenpotential derart ausschöpfen, daß beide Parteien knapp unterhalb der Grenze zu liegen kommen, die für einen Einzug ins Rathaus notwenig ist, damit unserem Land derartige Peinlichkeiten hinkünftig erspart bleiben.
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"Favoriten und die FPÖ haben eines gemeinsam!", poltert ein FPÖler der ausgedienteren Garde in breitem Slang, "Es fangen beide mit F an!" Ein Spitzenargument, das mich fast überzeugt hätte. Es ist 17:30, der Auftritt des Parteiführers H.C. Strache steht kurz bevor, es muß für Stimmung gesorgt werden. "Und es freut mich, diese schier unglaubliche Zuschauerzahl hier begrüßen zu dürfen", brüllt er etwa 400 gleichgültig dreinschauenden Sympathisanten entgegen, die er nicht sehen kann, weil sich in der ersten Reihe bezahlte Funkionäre mit Transparenten aufgestellt haben, die einen Blick von der und auf die Bühne verunmöglichen. Es folgt ein weinerliches Zetern gegen den ORF, der angeblich die so bemitleidenswerte FPÖ zensuriert, ignoriert oder was auch immer, gefolgt von Buhrufen durch die gespielt aufgebrachte Funktionärsmenge und dann geht es los.
H.C. Strache betritt die Bühne und der Platz beginnt sich etwas zu füllen. Es folgt ein einstündiger rhetorischer Rundumschlag gegen Ausländer, Asylwerber, Sozialschmarotzer und alle Österreicher, die nicht die FPÖ wählen, also Kommunisten sind, bestätigt durch zustimmende Grunz-, Gröhl- und Heullaute aus der versammelten Zuschauerschar. Weltuntergangsszenarien werden heraufbeschworen: Afrikanische Asylwerber entführen kleine blonde österreichische Mädchen und vergewaltigen sie. Drogendealer besetzen unser Land und planen einen Putsch gegen die Regierung, zuvor machen sie sämtliche Volksschüler Wiens drogenabhängig. Georgische Räuberbanden räumen Schloß Schönbrunn leer. Islamisten zerstören unsere Kirchen und ersetzen diese durch Moscheen. In Gerichtsgebäuden wird zukünftig auf den Koran geschworen, brave österreichische Hausmütterchen, die unser Land aufgebaut haben, müssen eine Burka tragen.
"Deutsch statt nix versteh'n", proklamiert H.C. Der Herr mit dem Bierbauch neben mir rülpst und schreit "Genau, weu des is unsare Gultur! De solln si schleichn, de Viecha, heast!" Mundl Sackbauer wäre entsetzt gewesen, wenngleich der Wahlkampf unter dem Motto "Damit der echte Wiener nicht untergeht" zu stehen scheint. "Die Amerikaner wollen, daß die Türkei in die EU kommt! Und das ist erst der Anfang! Als nächstes sollen Marokko, Libyen und sogar Israel folgen!" Das Volk zürnt: "San de deppert wurn? Wos woin de Israeli in da EU? De san a um nix bessa ois des wos de de Nazis vurwerfn! Solln se schleichn heast!" Zornesröte blitzt in den Gesichtern der H.C. Fans auf.
"Ich spreche hier bewußt die Leitkultur an, wir sind ein christliches Land und ich bestehe darauf, daß das so bleibt und wir nicht vom Islam überrollt werden!" Ein etwa 16-jähriger Glatzkopf hegt erste Zweifel. "Za wos brauch i a Gultur. Und auf de Kirchn wird a gschissn. Hauptsoch de Tschuschn schleichn si ham." Sein Feund bestätigt die wohldurchdachte Kritik: "De Trottln, de deppatn! Pfui! Ausse!"
"Wenn ich durch Wien gehe, sehe ich an jeder Ecke Kebab-Buden, türkische Lokale und China-Restaurants! Ich will das nicht! Zu unserer Kultur gehört der Würschtelstand und der Schnitzelwirt!" - Ein älterer Herr mit rotem Kopf hebt die Faust: "De Tirkn soll se eana Kebab hintn einführn! Mia hom eh n Heirign!"
"In Wien läßt Häupl [Anm. Bürgermeister von Wien] es zu, daß Haßprediger in Moschen predigen!", schreit der Haßprediger. "Aber wer zu uns kommt, der muß sich anpassen, sonst hat er hier bei uns nichts verloren!" Der Bierbäuchige wirkt erhitzt: "Genau, de Deppatn soll se an uns anpassn!" Mir wird leicht übel. Anpassen? An einen versoffenen Proleten, der vom Leben benachteiligt wurde (wofür er möglicherweise nichts kann)? Jedoch: "Mia san mia. Obe mit dem Schleia bei de Moslemfraun. Oda bessa glei ausse mit de Weiba!"
"Pummerin statt Muezzin!" und "Wir müssen Herr im eigenen Haus bleiben!". Bierzeltstimmung macht sich breit.
"Ich fordere Häupl zum Duell um Wien heraus. Wie in einem Boxkampf. Und Sie alle wissen, Häupl ist ein Schwergewicht, im wahrsten Sinn des Wortes!" poltert H.C. Ein höhnisches Gelächter geht durch die Menge. "Da Heipl, der blade Wamst, gibs eam Strache!", "Schenk eam ei, dem Wamperten!"
Ich erspare Ihnen weitere Details. Das Zwigespräch mit der Menge ging noch eine Weile lang dahin, dann wurde Fendrichs "I am from Austria" zum besten gegeben, ein hier wohl mehr als mißbräuchlich eingesetzter Titel, der die Menge dazu bewog, patriotische Wehmut hochkommen zu lassen und lauthals mitzugrölen. Strache gab noch einige Autogramme, dann war der Spuk vorbei.
Wollen wir hoffen, daß die mittlerweile in FPÖ und BZÖ gespaltenen Parteien der angeblich so Anständigen und Aufrechten bei der Wiener Wahl das Wählerstimmenpotential derart ausschöpfen, daß beide Parteien knapp unterhalb der Grenze zu liegen kommen, die für einen Einzug ins Rathaus notwenig ist, damit unserem Land derartige Peinlichkeiten hinkünftig erspart bleiben.
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derbaron - 23. September, 06:49
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