Freitag, 3. Februar 2006

Bewerbungsgesprächscoaching

Vor kurzem kam ich in die für eine Freundin zweifelhafte Lage, diese zu coachen, auf Altdeutsch auch beraten genannt. Diese jene Freundin hatte nämlich soeben ihre universitäre Ausbildung nach der für österreichische Verhältnisse kurzen Zeit von 8 Jahren abgeschlossen, und nun beschloß sie, nach all der auf der Wirtschaftsuniversität zu Wien verbrachten Freizeit und kurz vor dem Eintritt in die Frühpension dem aktiven Arbeitsleben einen kurzen Lebensabschnitt zu widmen, weshalb sie sich bei einem Marketingunternehmen bewarb, welches sie unerwarteterweise umgehend kontaktierte und zu einem Bewerbungsgespräch einlud.

Nun stand sie vor dem Dilemma, sich zwar die bei derartigen gegenseitigen Beschnupperungen üblichen Standardfragen besorgt zu haben, doch fand sie keine Antworten auf dieselben, sodaß sie sich hilfesuchend an mich wandte und mich um Rat bat. Ich begab mich daher zu einer Unterredung zu ihr, genoß ein Schälchen parfumierten Tees und versuchte währenddessen, mich an meine eigenen Bewerbungen zu erinnern, die im Regelfall recht positiv für die Arbeitgeber ausgingen (die ersparten sich nämlich, mir ein Gehalt zahlen zu müssen). Ich räusperte mich, rückte meine Resthaare zurecht und begann zu dozieren.

Das wichtigste ist der Beginn, belehrte ich sie. Du betrittst um 8 Uhr Morgens den Raum des Human Ressources Fritzen und wirst zunächst gefragt werden, ob du eine Tasse Kaffee haben möchtest. Ein derartiges Angebot abzulehnen wäre äußerst unklug weil unhöflich. Doch hier verbirgt sich gleich der erste Stolperstein. Um zu zeigen, daß du zwar höflich aber dennoch ein Individualist bist, solltest du fragen, ob du stattdessen ein Bier haben dürftest, so wie du es ja in der Früh gewohnt bist.

Meine Freundin lächelte zustimmend. Großartig, das wird ihm gefallen. Vielleicht trinkt er ja eines mit, das lockert die Situation auf, dann biete ich ihm gleich das Du-Wort an. Ich nickte. Nimm einen kräftigen Schluck aus der Flasche, wisch dir mit dem Ärmel den Schaum aus deinem Damenbart und harre der Fragen. Die erste wird lauten "Warum haben Sie überhaupt studiert?" Du solltest einen mitleidsvollen Blick aufsetzen und dann erzählen, daß dein Vater ein versoffener Prolet war, der seine mit 12 Frauen gezeugten 9 Kinder gehaßt und verachtet hat. Du hast dich dein Leben lang benachteiligt gefühlt, sodaß du eines Tages aufgestanden bist, mit der Faust auf den Tisch geschlagen hast und gebrüllt hast "Papa du Trottel, dir zeig ich's. Ich werde jetzt Magistra!" So tatest du, schnürtest dein Bündel und gingest in die große fremde Stadt.

"Verständlich, und warum mußte es dann ein Wirtschaftsstudium werden?" wird die nächste Frage sein. Hier wäre dem Personalrecruiter zu erzählen, daß du dich das bei deinem Eintreffen in der großen fremden Stadt auch gefragt hast, dir dann aber deine Kindheit eingefallen ist, die du in deinem Kinderzimmer verbracht hast. In dieses sei regelmäßig deine Mutter eingedrungen, hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und ausgerufen "Was für eine Wirtschaft!" Du dachtest, warum nicht gleich das studieren, was schon als Kind dein liebstes Hobby war?

Der Personaleinsteller wird sehr zufrieden mit dir sein und nun Persönliches erfahren wollen. "Nennen Sie drei Ihrer negativen Eigenschaften." Hier lohnt es sich, ehrlich zu sein, also wäre hier folgende Antwort angebracht: "Ich habe beschlossen, ganz ehrlich zu Ihnen zu sein, daher sage ich Ihnen - bevor ich irgendwelche negativen Eigenschaften erfinde - lieber gleich, daß ich keine negativen Eigenschaften habe." Selbstbewußtsein und absolute Offenheit wird schließlich belohnt.

Zum Abschluß des Gespräches wird dir die Frage gestellt werden, wo du dich nach fünf Jahren im Unternehmen wiederfinden willst. Du bist jung, du siehst gut aus, du dringst in eine Männerdomäne ein. Stelle dem Human Ressourcer in Aussicht, der Erste zu sein, mit dem du dich einlassen würdest. Sag ihm, daß du vorhast, in einigen Jahren Abteilungsleiterin zu werden, weshalb du dich kreuz und quer durch's gesamte Haus hochschlafen wirst. Paß nur auf dabei, denn wenn du schlecht im Bett bist könnte daraus ein Runterschlafen werden, was dich zurück zum Start werfen, also zu einer einfachen Angestellten machen würde.


Meine Freundin bedankte sich überglücklich für die wertvollen Ratschläge und trug die ausgetrunkene Teetasse in die Küche. Ich bedankte mich für's zuhören und verabschiedete mich. Heute um 8 Uhr hat meine Freundin ihr Bewerbungsgespräch. Ich denke Sie bekommt den Job.

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